01. April 2019

 

Melvin Wheaton: Vom TuS Daun ins US-Handball-Nationalteam

 

 

 

Melvin Wheaton setzt zum großen Wurf an. Der Spieler des TuS Daun ist für die Nationalmannschaft der USA nominiert worden, die in Kürze ein Turnier in der Dominikanischen Republik bestreitet.

 

FOTO: TV / Mirko Blahak

 

Irre Geschichte: Der Rückraumspieler vom Eifeler Rheinlandligisten wird durch Zufall und dank spezieller Kontakte für die amerikanische Auswahl gescoutet. Nun geht’s zu einem Turnier in die Dominikanische Republik.

 

Von Mirko Blahak

 

Melvin Wheaton lebt seinen ganz persönlichen amerikanischen Traum. Nicht den vom Tellerwäscher zum Millionär. Aber den vom Hobby-Handballer zum US-Nationalspieler.

Es ist eine bemerkenswerte Geschichte. Die USA haben rund 327 Millionen Einwohner – und dann gerät ein 23-jähriger Fünftliga-Handballer vom TuS Daun in den Fokus für die nationale Auswahl der Vereinigten Staaten.

Wie kann das sein?  Handball hat in den USA keinen hohen Stellenwert. Der Sport kommt noch nicht mal direkt hinter den ,großen Vier’ Basketball, American Football, Eishockey und Baseball, sondern gefühlt an 20. Stelle weit hinter Lacrosse. Manch einer weiß gar nicht, was Handball ist. Diese Erfahrung hat auch Wheaton gemacht, als er im Oktober des vergangenen Jahres seinen Vater im texanischen Kileen besuchte: „Manche dachten, Handball wäre so was Ähnliches wie Softball oder Völkerball.“

Es gab in der Vergangenheit immer wieder mal Versuche, Handball in den USA salonfähig zu machen. Vergebens. Deshalb wird nun versucht, in Europa nach tauglichen Spielern mit amerikanischem Pass Ausschau zu halten. Ein Schwerpunkt: die Metropolregion Düsseldorf, wo der Teammanager der US-Nationalmannschaft, Ex-Bundesliga-Spieler Andreas Hertelt, wohnt. In diesem Dunstkreis geriet auch Wheaton in den Fokus.

Hertelt hat einst mit der Dauner Handball-Ikone Migo Hein (20-facher Nationalspieler, Europapokalsieger mit Düsseldorf, Deutscher Meister mit Essen) zusammengespielt. Als das US-Team auf der Durchreise Richtung Heimat einen Zwischenstopp in der Großregion Trier plante, suchte Hertelt über Hein einen Testspielgegner, der mit dem TuS Daun schnell gefunden war. Wegen zeitlicher Probleme kam das Spiel aber nicht zustande – dafür aber der Kontakt von Wheaton zu den Verantwortlichen des US-Teams. „Mein Trainer in Daun, Markus Willems, gab mir die Nummer von Migo, der mich ins Gespräch bringen sollte. Ich dachte, da kommt eh zehn Wochen lang keine Rückmeldung. Doch kurze Zeit später meldete sich der US-Trainer“, berichtet Wheaton.

Der US-Coach ist kein Geringerer als Robert Hedin. Der Schwede, Silbermedaillengewinner bei den Olympischen Spielen 1992 und 1996, war  einst Trainer in Melsungen und von der norgwegischen Nationalmannschaft. „Ich sollte ihm direkt ein paar Eckdaten schicken. Größe, Gewicht, Position“, sagt Wheaton, dessen Vater Amerikaner und dessen Mutter Daunerin ist. Deshalb besitzt er neben dem deutschen auch einen US-Pass.

Prompt wurde eine Spielbeo­bachtung festgezurrt. Beim Dauner Auswärtsspiel in Bad Ems nahm Hertelt Wheaton in Augenschein. Der Eifeler mit US-Wurzeln fand seinen Auftritt nicht berauschend. In der Halle herschten hohe Temperaturen, der Boden war rutschig. Und weil dem TuS Spieler fehlten, musste der normalerweise fast nur im Angriff eingesetzte Wheaton auch in der Abwehr ran. Wheaton machte sich keine Hoffnungen. Die Teamkameraden waren optimistischer. Sie meinten: „Das wird schon.“

Und es wurde was. Wheaton – 1,93 Meter groß, 89 Kilo schwer und mit guter Sprungkraft ausgestattet – punktete mit seiner Athletik. Vor gut zwei Wochen ,explodierte’ Wheatons Handy: „Ich hatte Spätschicht und checkte morgens um 9 Uhr meine Nachrichten. Das Postfach quoll über mit Glückwünschen. Ich wusste zuerst gar nicht, was Sache ist. Bis ich die Nachricht des Nationaltrainers las. Ich konnte das erst gar nicht glauben.“

Wheaton ist dabei, wenn eine neu zusammengestellte US-Auswahl ab dem 8. April bei einem vom Weltverband organisierten Turnier in der Dominikanischen Republik teilnimmt (siehe Extra). Diese Woche geht’s von Düsseldorf über Madrid in die Hauptstadt Santo Domingo. Mit dabei: Neben Hertelt mehrere Spieler, die in Deutschland aktiv sind. Etwa die Brüder Ian und Patrick Hüter vom Zweitligisten TSV Bayer Dormagen oder Torhüter Hendrik Schultze von der HSG Siebengebirge.

Und Wheaton. Dabei hatte er zwischenzeitlich mit dem Handball schon fast abgeschlossen, seine Karriere verlief in jedem Fall nicht linear. Als Vierjähriger begann er mit dem Handball beim TuS Daun. Zwischenzeitlich wandte sich Wheaton mehr dem Fußball zu. Er spielte als Jugendlicher in der Verbandsauswahl und mit Ellscheid in der A-Jugend-Rheinlandliga. Hinzu kamen Verletzungen. Ein Mittelfußbruch, Bänderrisse sowie ein Knorpelschaden am Sprunggelenk. Alles binnen zwei Jahren nach Wheatons 18. Geburtstag.

„Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob ich mit dem Sport aufhören soll“, sagt Wheaton, der nach der Schule bei der Bundeswehr in Büchel stationiert war und zurzeit beim Warmpresswerk in Niederstadtfeld im Schichtdienst arbeitet. Vor zwei Jahren lotste TuS-Trainer Willems Wheaton wieder so richtig zum Handball. Er ist jetzt im zweiten Jahr fester Bestandteil der ersten Herrenmannschaft.

Und nun die Nominierung fürs US-Team. „Hätte mir das jemand vor einem Jahr gesagt, hätte ich ihn gefragt, ob er noch alle Tassen im Schrank hat“, sagt Wheaton. Das Turnier in der Dominikanischen Republik wird für ihn ein großes Abenteuer. „Das erste Spiel wird ein richtiger Gänsehaut-Moment, wenn ich im Trikot der USA auf dem Feld stehe. Ob ich die Hymne mitsingen werde, weiß ich aber noch nicht. Schließlich schlagen zwei Herzen in meiner Brust.“

Mit der Nominierung wachsen die Träume. Die US-Nationalmannschaft hat sich für die panamerikanischen Spiele im Juli und August in Peru qualifiziert. Wheaton will alles dafür geben, auch dort dabei zu sein. Sollte in Lima mindestens Rang drei rausspringen, wären die USA nach langer Zeit mal wieder für die Olympischen Spiele qualifiziert.