Quelle: Pressemitteilung des Handballverbandes Rheinland vom 12.2.2014

Häring: Katar hat neue Maßstäbe gesetztDer Geschäftsführer des Handball-Verbandes Rheinland erlebte die WM hautnah
Als Geschäftsführer des Handball-Verbandes Rheinland ist der Handballsport der berufliche Alltag von Hermann-Josef Häring. Aber auch privat lässt ihn „sein“ Sport nicht los. Häring ist aus eigenem Interesse Stammgast bei nationalen und internationalen Handball-Großveranstaltungen. Auch bei der Weltmeisterschaft in Katar war mit einer Fangruppe er vor Ort. Im Interview berichtet er über seine Eindrücke des Turniers, eine (noch) nicht existierende Fankultur und das Abschneiden sowie die Perspektiven der deutschen Nationalmannschaft.

Herr Häring, die WM in Katar ist Geschichte, Sie waren während der Vorrunde sechs Tage lang als Zuschauer vor Ort. Wie war Ihr Eindruck vom Turnier?

Organisatorisch war die Weltmeisterschaft top, von einigen Ticket-Problemen in der K.o.-Runde abgesehen, und wenn man als Handballfan die Arbeitsverhältnisse vor Ort ausblendend, die für Kritik am Ausrichter gesorgt haben. Aber der katarische Verband hat 220 Millionen Euro investiert, und damit ganz neue Maßstäbe für ein solches Turnier gesetzt, wenn man bedenkt, dass es 2007 bei der Heim-WM in Deutschland ‚nur‘ 22 Millionen waren. Wir haben eine neue, offene Kultur kennengelernt und uns immer sicher gefühlt – auch ohne große Polizeipräsenz. Leider waren die Hallen bei einigen Spielen recht leer, was bei anderen Weltmeisterschaften in der Vergangenheit auch schon der Fall war. Viele Hallen, in denen bei solchen Turnieren gespielt wird, sind einfach zu groß.

Katar ist kein Handballland. Wie groß ist dort die Handballbegeisterung?

Der Katarer an sich ist nicht besonders sportbegeistert, viele interessieren sich für Kamelrennen und Falkenzucht. Eine Fankultur wie in Deutschland gibt es dort nicht. Durch die sportlichen Großereignisse wie jetzt die Handball- und im Jahr 2022 die Fußball-WM soll diese aufgebaut werden. Die Fußball-WM wirft schon jetzt große Schatten voraus. Überall wird gebaut, die Veränderungen innerhalb kurzer Zeit sind enorm.

Der gastgebende Verband stand in der Kritik, weil das katarische Team zum Großteil aus eingebürgerten Spielern bestand. Haben Sie Verständnis für diese Vorgehensweise?

Man darf dem katarischen Verband keinen Vorwurf machen. Das Regelwerk des Weltverbandes IHF wurde mit den zahlreichen Einbürgerungen regulär genutzt. Es ist nicht angebracht, wie häufig dargestellt, von einer zusammengekauften Weltauswahl zu sprechen. Mit Ausnahme der beiden Torhüter Danijel Saric und Goran Stojanovic hatten die anderen Spieler vor der WM noch keinen großen Namen. Dort hat sich ein sehr gutes Kollektiv ohne große Einzelspieler entwickelt. Auch den Spielern, die das finanzielle Angebot angenommen haben, darf man nicht böse sein. Sie müssen mit dem Handball ihren Lebensunterhalt verdienen. Trotzdem muss der Weltverband handeln. Wer für eine Nationalmannschaft ein Länderspiel absolviert hat, darf für keine andere Landesauswahl mehr zum Einsatz kommen. Das macht der Fußball uns vor.

Zur deutschen Mannschaft: Sie durfte nur aufgrund einer Wildcard an der WM teilnehmen und hat am Ende Platz sieben belegt. Welche Eindrücke hatten Sie vom DHB-Team?

Deutschland hat mit der spielerischen Leistung positiv überrascht. Leider konnte die Mannschaft im Viertelfinale gegen Katar nicht an die Vorrunde anknüpfen. Ich habe die Partien gegen Polen, Russland und Dänemark gesehen – da kam eine andere Mentalität des Teams als zuletzt rüber. Der neue Bundestrainer Dagur Sigurdsson macht mit seiner neuen Philosophie eine sehr gute Arbeit, aber sein Vorgänger Martin Heuberger gerät mir zu schnell in Vergessenheit. Er hat großen Anteil daran, dass es jetzt wieder bergauf geht, gingen Spieler wie Uwe Gensheimer, Martin Strobel oder Steffen Weinhold doch durch seine Schule. Die Vergabe der Wildcard hatte natürlich einen Beigeschmack, aber trotz allem hat Deutschland zur WM gehört.

Die Bundesliga ist die stärkste Liga der Welt, in einigen Spitzenteams spielen die Deutschen aber keine große Rolle. Ein Problem?

In meinen Augen liegt die Schuld nicht bei den Vereinen. Die Bundesliga ist ein Geschäft, und da zählen primär nun einmal die Leistung und der Erfolg. Die Spieler selbst müssen sich anbieten. Wer sich durchsetzen möchte, der bekommt seine Chance, und der setzt sich auch durch. Uwe Gensheimer oder Patrick Groetzki haben das bei den Rhein-Neckar-Löwen vorgemacht.

Welche Perspektiven geben Sie der deutschen Mannschaft für die nahe Zukunft?

Weltmeister Frankreich hat vorgemacht, wie man erfolgreich ist. Man benötigt im heutigen Handball eine gute Physis, Kraft und Gewinnertypen. Schon in der individuellen Ausbildung und Förderung der Jugendlichen gilt es dort anzusetzen, auch die Arbeit in Kleingruppen spielt eine große Rolle. Egal ob in der E-Jugend oder im Seniorenbereich – wir brauchen Spieler, die heiß auf Siege sind. Wenn wir darauf achten, schafft es der deutsche Handball auch wieder in die Weltspitze.