Visionär und Macher im Hunsrück - Bernd Kirst

 

„In den knapp 30 Jahren ist so viel passiert, hier würden mir sich noch viele Themen einfallen“, sagt Bernd Kirst, 61-jähriger kaufmännischer Angestellter, der wie kein anderer die Vereinsgeschichte seiner Hunsrücker Vereine prägte und nicht müde wird, sich an Ereignisse zu erinnern, die im Laufe seiner aktiven Handballer Karriere oder der späteren Funktionstätigkeit passiert sind.

 

Die sportliche Laufbahn begann Bernd Kirst mit 9 Jahren beim TuS Kleinich, spielte in der C- und A-Jugend und wurde mit der 1. Herrenmannschaft 1980/81 Vizemeister der Landesliga, ehe die sportliche Fusion des TuS Kleinich mit Irmenach 1981/82 den Aufstieg in die Oberliga Rheinland sicherte. Die sportliche Fusion sollte Kirst dann auch von einem „Gewissenskonflikt“ befreien. Kirst liebäugelte mit einem Wechsel von Kleinich nach Irmenach. Doch die Fusion war für ihn wie eine „Befreiung“.  „Damit hatte sich das positiv für mich erledigt und die erste gemeinsame private Feier der Fusionsvereine war dann unser Polterabend im Juni 1982“ verrät der Handball-Enthusiast.

 

Doch gleich im Folgejahr musste sich die HSG Irmenach/Kleinich mit dem Abstieg abfinden, ehe die erneute Meisterschaft 1983/84 in der Landesliga ohne Verlustpunkt den erneuten Aufstieg in die Oberliga garantierte. Die Saison 1985/86 sollte dann die letzte Saison des Rückraumspielers sein, die Mannschaft schaffte den Vizemeistertitel in der Oberliga.

 

Bernd Kirst zweiter von links Nr. 9

 

1981 fusionierten die Vereine TuS Kleinich und TuS Irmenach, 1991 wurde die Hirtenfeldhalle in Kleinich eingewiehen. Damit erfüllten sich die Handballer im Hunsrück ihren lang ersehnten Traum von der eigenen Halle, in die man unzählige Stunden und ca. 300.000 DM an Eigenleistungen einbrachte. Zum damaligen Zeitpunkt war Kirst Trainer der 2. Herrenmannschaft. „Aus heutiger Sicht einmalig und die wichtigste Entscheidung zur dauerhaften Absicherung des Handballsportes für die Vereine der Spielgemeinschaft“, urteilt der Hunsrücker.

 

Die Verbundenheit und seine Liebe zum Handballsport waren entscheidend dafür, dass er ins „Management“ des Vereins wechselte. Seit 1989 war er Mitglied des Vorstandes der HSG Irmenach-Kleinich und des TuS Irmenach.  Beim TuS Irmenach 1913 e.V. übernahm Kirst zunächst die Aufgabe des Schriftführers, wurde dann 2. Vorsitzender und übernahm den Vorsitz von 2001 bis 2007. „In diesem Zeitraum habe ich dann auch die Ferienfreizeiten ins Leben gerufen.“  

 

Ein besonderes Highlight im Vereinsleben des TuS war die Umsetzung der Kirst Idee: Bau einer Beachhandballanlage, die von seinem Amtsvorgänger beim TuS Irmenach, Hans Schneiß, maßgeblich unterstützt wurde! Holger Wienpahl und der SWR 3 berichteten ausführlich über den Bau der ersten Beachhandballanlage in Rheinland-Pfalz, den sie als „größten Sandkasten in Rheinland-Pfalz“ bezeichneten. „Mit den Turnieren auf den ehemaligen Kleinspielfeldern verdiente der Verein immer gutes Geld. Als dies rückläufig war, entstand die Idee mit der Beachanlage, für die der ehemalige Großfeldspielplatz hergerichtet werden sollte. Doch zunächst mussten fast 1000 cbm Erdreich verschoben werden, damit wir überhaupt den Sand aufbringen konnten. Noch gut erinnere ich mich an das erste Turnier, das wir bei 11 Grad und Dauerregen durchgezogen haben. Als wir später für die Masterspiele ausgewählt wurden, war der Bau der zweiten Anlage nötig“, erzählt Kirst.

 

Sportlich gekrönt wurde der Bau der Anlage durch die Teilnahme von zwei Mannschaften der HSG Irmenach/Kleinich/Horbruch am Master Finale in Cuxhaven. Deutsche Meister, darunter die MJC Trier und die Mannschaft von SKA Mink sowie die weißrussische Nationalmannschaft spickten das Teilnehmerfeld des Beachhandball Masterturniers des TuS Irmenach. Der Erfolg sprach für sich und so kommt ein zweites Spielfeld dazu. Dies war auch die Auflage, um weiteres Masterturniere veranstalten zu können. Die Anlage ist bis heute fester Bestandteil der Saisonvorbereitung der Hunsrücker.

 

 

„Diese Aktivitäten im TuS dienten neben dem sportlichen Angebot zur anspruchsvollen Finanzierung der HSG IKH. So spielte die HSG Irmenach/Kleinich mit der 1. Mannschaft in der Regionalliga, daneben gab es vier weitere Seniorenmannschaften, 2 Damenmannschaften und alle Jugendklassen waren besetzt. Spieler haben wir nie bezahlt, sondern lediglich Fahrkosten erstattet. Da kamen schon Summen für die Absicherung des Spielbetriebes zusammen! Die Kosten mussten von den Muttervereinen, später dann auch von Horbruch sowie der HSG bestritten werden. Für die eigene Halle, die sich in Trägerschaft der Gemeinde Kleinich befindet, müssen die Vereine auch heute noch für die Verbrauchskosten anteilig aufkommen (Strom, Gas, Wasser)“.

 

1999 stieß der TuS Horbruch zur Spielgemeinschaft, jetzt stand die HSG Irmenach/Kleinich/Horbruch. „2001 gründeten wir dann den 01er Club der HSG als Sponsoring Konzept zur Unterstützung und Intensivierung unserer Jugendarbeit, im gleichen Jahr verabschiedeten wir eine Jugendkonzept, dass die Einbindung überregionaler Schulkooperationen in 3 Landkreisen und ihrer Verbandsgemeinden vorsah, 2005 richteten wir eine Geschäftsstelle ein und gründeten 2008 eine gemeinnützige GmbH nach einem Beratungsgespräch mit einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Zusammenarbeit mit dem Sportbund Rheinland. Fast durchgängig besetzten wir alle männlichen und weiblichen Jugendkassen mit unseren Jugendmannschaften“, erinnert sich Kirst.

 

Erneut eine Vorreiterrolle im regionalen Kontext: Erstmalig arbeitet ein Verein im regionalen Einzugsbereich als gemeinnützige GmbH. Und immer hat Kirst seine Hände im Spiel und nachdem es 2010 die erste Jugendkooperation mit der SG Gösenroth/Laufersweiler und für die überregionalen Klassen mit der HSG Kastellaun/Simmern gegeben hatte, folgte 2014 die Kooperation mit der SG Gösenroth/Laufersweiler im Damenbereich. 2016 wurde die Kooperation JSG Hunsrück über alle Jugendklassen auf den Weg gebracht und nach 30 Jahren ehrenamtlicher Arbeit legte Kirst seine Ämter nieder.

 

Die ehrenamtlichen Tätigkeiten, die Kirst in seiner Zeit bei der HSG übernahm wollen einfach nicht enden: Jugendtrainer, Trainer 2. Herren, Schiedsrichter, Jugendwart, Hallensprecher, Sportlicher Leiter, Sponsoring, Hallenausschuss, Öffentlichkeitsarbeit, Präsidium und später Geschäftsführer.

 

„Heute nehme ich noch die kleine Aufgabe als Vorsitzender des Fördervereines des Handballs im Handballverband Rheinland e.V. und Beisitzer im Landesspruchausschuss wahr. Mir war es wichtig die HSG sowohl sportlich und wirtschaftlich in geordneten Verhältnissen an meine Nachfolger abzugeben und die neuen Strukturen mitzugestalten bzw. die Last auf mehrere Schultern zu verteilen. Den Zeitaufwand von 3-4 Stunden pro Tag für den Verein, den ich in den Jahren, in denen ich verantwortlich war, auf mich genommen habe, ist heute einfach nicht mehr leistbar“, weiß Kirst.

 

Geprägt wurde der Verein HSG Irmenach/Kleinich/Horbruch von Ausnahmespielern/innen auf und außerhalb des Spielfeldes in den 80er und 90er Jahren mit dem Aufstieg 1988 in die Regionalliga West und etlichen Meistertiteln, einen zweiten Höhepunkt erlebte der Verein mit der Damenmannschaft mit der zweimaligen Vizemeisterschaft in der Oberliga Rheinland-Pfalz/Saarland.

 

„Ein hohes Investment und ein starker Fokus lag immer auf qualifizierten und selbständigen Übungsleitern aus dem eigenen Verein und der Region. Darauf haben wir immer Wert gelegt, so waren bei uns z.B. Klaus Ohnhäuser, Norbert Stelmach, Burkhard Born, Markus und Martin Bach, Wolfgang Becker, Paul Schmidt, Igor Domaschenko, Jutta Holl und Sascha Burg aktiv als Trainer. Trainingslager in Tatabanja und in Berlin im Sportzentrum der Füchse, Vorreiter bei der Verpflichtung Jugendlicher für ein freiwillig soziales Jahr, Zukunftssicherung über die neue Vereinsstruktur gGmbH, Spielerverpflichtungen von Nachwuchsspielern aus der Region aus denen Freundschaften zu Spielern und Eltern geworden sind und Spieler mit Int. Erfahrung die später über den Beruf in Deutschland Fuß gefasst haben, wie Valentin Okuschko, Max Shalimov, Rene Vasek. Mit Rene Vasek ist der HSG nach seiner aktiven Laufbahn ein Freund, Trainer und Schiedsrichter erhalten geblieben. Spielerverpflichtungen wurden ausschließlich über Jobvermittlung oder sportliche Anreize verpflichtet, was sehr zeitintensiv, aber alternativlos in einer strukturschwachen Region war. Annähernd 50 Arbeitsplätze im Hunsrück habe ich in dieser Zeit sicherlich vermittelt. Doch in der ländlichen Region liegen auch Stärken und Vorteile der HSG: Es gibt weniger Abwanderungen, ein geringeres Freizeitangebot und somit die Konzentration auf wenige Angebote. Dennoch müssen aus den gewachsenen Strukturen ständig Anpassungen vorgenommen werden, sowohl im sportlichen als auch im wirtschaftlichen Bereich“, fordert Kirst.  

 

 

Auch an das eine oder andere Anekdötchen erinnert sich Kirst: „Auf der Rückreise aus unserem Italien-Urlaub habe ich sage und schreibe ein 11-stündiges Dauertelefonat mit Igor Domaschenko geführt, bis wir alles um die Verpflichtung von Maxim Shalimov geregelt hatten und alles unter Dach und Fach war. Maxim durfte nur in Deutschland arbeiten, wenn der Arbeitsplatz nicht mit einem EU Bürger besetzt werden konnte. Das gelang uns schließlich auch.

 

Eine andere Geschichte war die angebliche Verpflichtung von Ex-Weltmeister Markus Bauer 2008 als „Facility-Manager“ im Verein. Beim Ball des Sports in Wiesbaden traf ich Markus Bauer, der mit seiner Mannschaft in Wiesbaden für den WM Gewinn 2007 geehrt wurde. Anlässlich der Feier haben wir ein gemeinsames Bild gemacht und punktgenau am 1. April 2008 erschien in der Lokalpresse der Aufmacher mit der angeblichen Verpflichtung von Bauer als „Hausmeister“. Das Telefon stand an diesem Morgen nicht mehr still und selbst Vorstandskollegen riefen mich an und fragten, ob an der Geschichte was Wahres dran sein“, erzählt das Hunsrücker Urgestein.

 

 

Die Herren der HSG Irmenach/Kleinich/Horbruch spielten 16 Jahre in der Regionalliga, erreichten in der Saison 1993/94 mit dem 5. Tabellenplatz ihre beste Platzierung. Der Verein wurde viermal Rheinland-Pokalsieger, spielte zweimal im DHB Pokal und 2 Jahre in der RPS Oberliga. Die Damen der HSG schafften 2014/2015 den Rheinlandmeister-Titel, es folgte der Aufstieg in die RPS Oberliga, die Kooperation im Frauenbereich mit der SG Gösenroth/Laufersweiler 2015/2016, der Abstieg aus der Oberliga und der direkte Wiederaufstieg in die RPS Oberliga. Dort erreichte man 2016/2017 einen guten Mittelfeldplatz, wurde in den darauffolgenden Saison zweimal Vizemeister der RPS Oberliga und nach dem 3. Anlauf dann auch Rheinlandpokalsieger. Das bescherte der Mannschaft die Teilnahme an der 1. DHB Pokalrunde gegen den Bundesligisten 1. FSV Mainz. Zudem wurde die HSG Damenmannschaft 2016 und 2017 zur Mannschaft des Jahres bei der vom Trierischen Volksfreund ausgerichteten Sportlerwahl „Mannschaft des Jahres“.  

 

Volle Hallen waren das Ergebnis der guten sportlichen Performance und so sahen sich die HSG Verantwortlichen in der Pflicht, die Übertragung von Spielen im HSG Treff, der Sportlerkneipe der Handballer gleich in der Halle zu übertragen. „Da haben die Zuschauer teilweise mehr geschwitzt als die Spieler und nicht jeder Zuschauer konnte das Spiel aufgrund der hohen Anspannung bis zu Ende ansehen“, erinnert Kirst, der sich heute darauf freut, Spiele der HSG in Ruhe ansehen zu können. In seiner Freizeit widmet sich Kirst seiner Familie, die in den 30 Jahren immer unterstützt und ihm den Rücken freigehalten hat.

 

„Mit Sorge beobachte ich die Entwicklung des Handballsportes im HVR die aktuell eine schwierige Situation durchzustehen hat“, schaut Kirst nach vorne.

Verabschiedung von Bernd Kirst, zweiter von links, 2017